Hat sich schon einmal jemand gefragt, ob Flugzeuge sprechen können? Ganz abwegig ist die Idee nicht, schließlich haben Flugzeuge bisweilen sogar Namen. Mal sind es welche, deren Bedeutung sich auf den ersten Blick nicht erschließt, wie etwa „Eimy“ und „Muki“, aber auch solche wie „Elos“, dessen Klang etwas griechisch-mythologisches anhaftet. Mitunter geht es despektierlich zu, etwa bei „Rattl“ (mit dem Kampfnamen „Falke“), oder auch bodenständig-familiär gefärbt mit einer Anrede wie „Tante Paula“. Andere müssen sich halt mit einer tristen Kombination aus Buchstaben und/oder Zahlen zufrieden geben. Einschlägige Filme (siehe: Planes, Wald Disney Studios Motion Pictures, 2013) konnten jedenfalls den Beweis führen, dass Luftsportgeräte ein Eigenleben führen, und ehrlich gesagt, wer von uns würde daran zweifeln?
Wenn Flugzeuge sprechen könnten, was hätten sie dann wohl zu sagen? Bestimmt würden sie über ihre Erlebnisse und Erfahrungen plaudern, ganz besonders in so einer kalten Dezembernacht, wenn der Wind um den Hangar pfeift und das Öl in den Motoren dicker wird als Rübensirup. Wahrscheinlich würden sie sich – verbal – auf die Schultern klopfen, sich beglückwünschen, das vergangene Jahr ohne ernsthafte Verletzungen hinter sich gebracht zu haben. Ein spannendes und interessantes Jahr sei es gewesen, würde man sich gegenseitig bestätigen. Man hat zusammen sogar richtig große Ausflüge bewältigt, ins ferne Sachsen, ans Meer und sogar ins Mutterland des im Frühjahr neu adoptierten Familienmitgliedes, eben jener oben erwähnten Tante Paula. Die könnte gleich tüchtig mitreden, probeweise mit etwas erhobener Nase, weil sie etwas kann, was die anderen nicht können, nämlich die Segelflieger in die Luft ziehen. Das Grinsen der alteingesessenen angesichts des beklagenswerten Zustandes mancher ihrer Bauteile würde sie kaum beeindrucken, wohl wissend, dass ein kleiner Trupp fleißiger Hände sich um die notwendige Schönheitskur kümmert. Schließlich steht mit stolzgeschwellter Brust nicht weit von der Gesprächsrunde weg einer der Segler, ein wahres Schmuckstück, hochglanzpoliert in gefälligem Elfenbeinweiß, mit rassigen feuerroten Streifen, der lebende Beweis für die Effizienz eines solchen Face-Liftings. Auf so manchem Schleppflug wird man wohl miteinander ins Gespräch gekommen sein. Gelegenheit dazu gab es genug, nicht zuletzt bei Treffen mit Kumpels anderer Vereine, wobei die erste Bekanntschaft des neuen Lacks mit einem Getreidefeld dem eleganten Erscheinungsbild und der dafür gezollten Bewunderung keinen Abbruch tat.
Eine Winternacht ist lang, auch tagsüber bleiben die Hallentore oft geschlossen, und so würde sich die Unterhaltung früher oder später bestimmt auch um uns Piloten drehen. Zwar lässt sich zurzeit nur selten einer im Hangar blicken, aber man kann annehmen, dass das Thema „Pilot“, wenn einmal in die Runde geworfen, für ausgiebige Debatten sorgen würde. Es wäre bestimmt interessant, da mal zuhören zu dürfen. Ähnlich wie bei Pferden, wenn sie über ihre Reiter diskutierten (sofern Pferde überhaupt sprechen könnten). Das könnte dann vielleicht so klingen wie: „Der und der ist immer total nett zu mir“ und „Der Ausflug mit dem und dem hat wieder total Spaß gemacht“, oder „Der eine mag mich überhaupt nicht“ oder auch „Ach, wenn ich die Checkliste doch selber durchgehen könnte…“ und so weiter. Zudem kommen, damit der Gesprächsstoff nicht ausgeht, immer wieder neue Pilotenleute dazu, die viel, viel üben und endlich, sei es auch auf den letzten Drücker vor dem Wintereinbruch, so weit sind, dass sie alleine einsteigen dürfen. Ist ja auch mal was nettes, so zu zweit, ganz nach dem Motto „Nur mein Flugkapitän und ich“. Von den altbekannten Gesichtern, würden sich Eimy, Elos & Co. vielleicht gegenseitig ihr Leid klagen, sieht man manche gar nicht mehr so oft wie früher, sie würden sich untereinander fragen, was denn da los sei und ob man sich vielleicht etwas attraktiver präsentieren müsse. Aber wie nur? Alleine aus der Halle rollen und wie im Film vor der Hecke verführerisch mit den Querrudern wackeln geht eben doch nicht. Das eine oder andere Luftsportgerät würde zu Recht einwenden, es habe wegen kleiner Wewehchen leider eine Weile nicht zur Verfügung gestanden, was bei den anderen bedauerndes und verständnisvolles Gemurmel hervorrufen würde.
Nun ja, wie auch immer, am Boden stehend konnte man umso besser unser lustiges Vereinstreiben beobachten und könnte sich jetzt gegenseitig seine Kommentare dazu abliefern. Etwa zu dem Fest, zu dessen Gelingen sich die Mannschaft so viel Mühe gegeben hatte, wo ganz viele Nicht-Piloten kamen, die dann doch nicht mitfliegen durften. „Da konnte wirklich keiner was dafür“, wäre man sich im Aeroplan-Gesprächskreis einig, wer wollte schon bei Dauerregen seine Runden drehen? „Macht erstens keinen Spaß und ist zweitens gefährlich.“ Letztlich würden sich unsere sprechenden Flieger bestimmt gegenseitig versichern, dass wir doch eine total nette Truppe sind, die gerne zusammen sitzt, dies und jenes feiert, bei jeder Gelegenheit Rauch aus dem Kamin des Backhauses (und mitunter auch von anderen Teilen desselben) aufsteigen lässt.
Wenn das vergangene Jahr besprochen und die Unterhaltung der Flugzeuge so langsam am Einschlafen wäre, würde sicherlich eines das kommende Jahr aufs Tapet bringen. Vielleicht würde das ein wenig Unruhe auslösen, nicht nur wegen der bevorstehenden Herztransplantation des Kameraden Elos. Würde man als Familie erhalten bleiben oder von jemanden Abschied nehmen müssen? Es ist anzunehmen, dass unsere geflügelten Freunde mit ihren sensiblen Antennen ein dadurch möglicherweise stattgehabtes Knirschen in unserem Vereinsgetriebe wohl empfangen, und, da sie das Fliegen zweifellos nicht unemotional erleben, bange Blicke ausgetauscht hätten.
Bestimmt würde aber die Vorfreude auf die nächste Saison alle Sorgen beiseite fegen, die Vorfreude, bald wieder aus dem Hangar raus ans Licht gezogen zu werden, das Herz wieder schlagen lassen zu dürfen, die Flügel wieder dran gesteckt zu bekommen, Herausforderungen zu bestehen, Feste mitfeiern zu können.
Ja, so wäre das vielleicht, wenn Flugzeuge sprechen könnten.